Judy Millar “A Better Life”
Review of solo exhibition at Hamish Morrison Galerie, Berlin, Germany
1st May – 4th June 2010.
Written for Monopol Magazine, Germany
Die Hamish Morrison Galerie freut sich, eine Ausstellung mit neuen Arbeiten von Judy Millar zu präsentieren. Die Ausstellung mit dem Titel A Better Life/Ein Besseres Leben ist Millars erste Einzelausstellung in Berlin seit ihrer großen Installation in der Kirche La Maddalena auf der Venedig Biennale 2009.
Für ihre raumgreifende Installation in La Maddalena benutzte Judy Millar riesige, mit stark vergrößerten Gesten der Künstlerin bedruckte Leinwände, die sich durch den Raum wanden und sich in ihm entfalteten; das Betrachten wurde für den Besucher zu einem kinematografischen Erlebnis, da das vollständige Erfassen der Installation nur durch das Umrunden der Leinwände, also durch Integrieren der Elemente Zeit und Bewegung, möglich war.
Für die aktuelle Ausstellung nimmt sich Judy Millar einer ‘white cube’ Galerie an; einem Raum, der völlig anders ist als eine barocke Kirche, der aber genauso mit malerischer Vergangenheit aufgeladen ist, und der sich genauso stark verwandelt durch ihre gewagte Installation.
Lange Leinwand-Bahnen, bedruckt mit Millars malerischen Zeichen, fließen durch den Raum der Galerie wie kollabierte Plakatwände, sie liegen gestapelt aufeinander, winden und rollen sich über sich selbst. Millars Gesten, auf der Leinwand zehnfach vergrößert, enthüllen einige wichtige, intime Details ihrer Arbeitsweise, aber sie haben auch einen grafischen, Comic-artigen, gar komischen Charakter. Sie werden zu eigenständigen Objekten mit einem Eigenleben, abgetrennt von der Künstlerin, die sie erschaffen hat. Wie Jennifer Gross schreibt: ‘durch das Vergrößern und Reproduzieren der manuellen Geste, wird der tatsächliche Malprozess der Künstlerin herauskristallisiert und übertragen.’ Gross beschreibt die bedruckten Leinwände weiter als ‘großräumige Nachwirkungen der Atelierarbeit.’
Das folgende Zitat von Judy Millar sagt viel über ihre Herangehensweise aus: ‘Als ich gestern mit dem Taxi durch die Stadt fuhr sah ich ein Bild, das sehr gut mit der Arbeit, die ich für die Ausstellung gemacht habe, korrespondiert. Eine Shampoo Werbung auf einem mehrstöckigen Hochhaus zeigte Haare, die in Locken die Fassade herunter und um die Ecke des Gebäudes fielen. Die Locken erhielten Volumen und Kontur durch die Form des Gebäudes und lösten gleichzeitig dessen Umrisse auf. Auf die gleiche Art und Weise transportieren die langen, Bänder-artigen Bahnen in der Ausstellung die übertriebenen malerischen Gesten, heben sie in und durch den Raum, während sie gleichzeitig durch die auf die Oberfläche gedruckten Bilder deformiert werden. Weitere Verzerrungen entstehen dadurch, dass der Betrachter das Bild nie von einer einzigen frontalen Perspektive erfassen kann, sondern sich entlang der Arbeit bewegen und sie in der Bewegung rekonstruieren muss.‘
Es ist diese Interaktion zwischen den malerischen Spuren der Künstlerin selbst – und deren Vergrößerung – und den realen Dingen der Welt – einschließlich der Betrachter – die Millars Arbeit jenseits eines vereinfachenden Diskurses über Malerei und Installationskunst ansiedelt. Stattdessen überschreitet sie die Linie zwischen bildlicher Fiktion, bildlicher Realität und realen Dingen im Raum. Durch diese Praxis beschäftigt sie sich mit einem fundamentalen Thema, das weit über Abstraktion hinweg bis in die Renaissance zurückreicht – namentlich in die Diskussion über die paradoxe Beziehung, die die Malerei mit der Welt hat, die sie einerseits versucht abzubilden und von der sie andererseits ein Teil sein will.
Millars Installation ist deshalb nicht nur ein Objekt, das wir schweigsam betrachten sollen. Fordernd, spielerisch und manchmal ganz und gar konfrontativ, zerrt und schubst sie uns durch den Raum und eröffnet uns Möglichkeiten neuer Entdeckungen und Erfahrungen. Dadurch birgt sie das Versprechen auf ein ‘besseres Leben’ in sich; einen Optimismus im Hinblick auf die Art und Weise, wie wir die Welt um uns herum erfahren, und die wichtige und menschliche Rolle, die die Kunst in dieser Welt spielt.
Judy Millar lebt und arbeitet in Berlin und Auckland. Sie nimmt gerade an einem dreimonatigen Atelierstipendium des ISCP in New York teil. 2009 vertrat sie Neuseeland auf der Venedig Biennale. Folgende Einzelausstellungen fanden in jüngster Zeit statt: Matte Black in der Galerie Mark Müller, Zürich; Butter for the Fish bei Gow Langsford, Auckland und The Secret Life of Paint in der Dunedin Public Art Gallery.
Judy Millar war 1994 Moet & Chandon Stipendiatin in Frankreich, 2002 gewann sie den Wallace Art Award. 2006 erhielt sie das Colin McCahon Atelierstipendium, das in jenem Jahr zum ersten Mal verliehen wurde. Weitere Stipendien erhielt sie von der Dunedin Public Art Gallery sowie dem Goethe Institut, Berlin. Eine umfassend Monographie über ihre Arbeit mit dem Titel You You, Me Me, erschien 2009 im Kerber Verlag.”
(Pressetext: Hamish Morrison Galerie)
Read originalartikel.Große Leinwandbahnen, die mit Millars malerischen Zeichen bedruckt sind, fließen durch die Galerie.